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Taschenbuch mit Illustrationen von mir

Die letzten Tage der Dampflok

19,95 €

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Der Lukenpisser

Die erste Geschichte aus dem Buch

„Die letzten Tage der Dampflok“

Noch lange nachdem unser Titelheld dieser Geschichte verstorben war, wurde ich des Öfteren darauf angesprochen. Zum Beispiel vom Aufsichter in Rothensee, als ich schon mit Diesel BR 118 allein unterwegs war. Er brachte mir die Papiere für den Zug, sah mich an und fragte: „Bist du nicht der Heizer vom Lukenpisser?“

Hier nun die Story, wie mein ehemaliger Lehrlokführer zu seinem Spitznamen gekommen ist. Das war noch vor meiner Heizerzeit. Zuweilen kommt es vor dass man einem Kollegen einen Streich spielt. Doch in dieser Zeit standen die Sterne besonders gut für Schabernack und Revanche.

Wenn ein Lokführer und sein planmäßiger Heizer schon den Namen „Max und Moritz“ hatten, und das war berechtigt, war es nur eine Frage der Zeit, wann die nächsten Spitznamen folgten. Diese beiden heckten die meisten Sachen aus und irgendwie gab es auch die Chance für einen Gegenschlag. Damals gab es noch Dienstpläne, wo kaum Abweichungen vorkamen. Das Personal wusste Monate im Voraus, wer wann wo Dienst hat. Tausch mit den Kollegen aus persönlichen Gründen war eine Woche im Voraus ausgehangen und da war auch der Dienst auf Ruhe ersichtlich. Der Zufall hatte kaum eine Gelegenheit, um den Falschen zu erwischen, denn wer es wissen wollte, wusste, wer einen ablöst bzw. wer die abgestellte Lok übernimmt.

Max und Moritz befestigten alten Stinkerkäse unter dem Führersitz oder bestrichen das Handrad vom Wasserkran mit Heißdampföl, natürlich von unten, also für den, der anfasste, nicht sichtbar. Beim nächsten Kollegen nagelte man Reizwäsche aus dem Putzwolle-Fundus an den Umkleideschrank, so dass die Putzfrau am Morgen mit ihrem Juchen alle anderen darauf aufmerksam machte. Einmal wurde auch das Fahrrad eines Kollegen, der dafür bekannt war, es zum Feierabend besonders eilig zu haben, an einen anderen, dunkleren Platz gestellt. Natürlich wegen des Doppeleffekts mit losen Ventilen.

Nun wollte der Ehrgeiz eines jeden Betroffenen, dass eine kleine Steigerung sein musste. Und so geschah es, das auch Horst, mein späterer Lehrlokführer zu den Kandidaten für eine Aufmerksamkeit wurde. Dazu suchten sich die beiden eine Schicht aus, bei der es unterwegs keine Möglichkeit bot, etwas zu essen zu besorgen. Kurz bevor Horst und Heizer zum Ablösen erschienen wurde eine frische Zwiebel hinter der Verkleidung der Kesselluke, also direkt am heißen Kessel versteckt.

Die Ablösung wurde besonders intensiv aber kurz abgehandelt. Da Lokführer und Heizer beim Bespannen des Zuges und den Folgearbeiten beschäftigt waren, hatte die Zwiebel Zeit zum langsamen Garen. Der Fahrtwind sorgte für einen leicht appetitanregenden Duft und ganz im Unterbewusstsein meldete sich der kleine Hunger. Die erste Schnitte schmeckte besonders gut, aber die Schicht war noch lang. Nach etwa zwei Stunden war das zweite Brot alle. Dann wurde der Bratzwiebelgeruch so stark, dass man es merkte und vermutete auch schon die Übeltäter. Jetzt begann das Suchen nach dem appetitanregenden Objekt. Die Zwiebel wurde bald lokalisiert und entfernt, aber der Saft hatte sich längst am Kessel verteilt und sorgte weiter für Appetit. Horst sann auf Rache denn die Schicht war länger als der Essensvorrat. „Na wartet“!

Was er machte, das machte er immer gründlich. Ob beim Durstlöschen an seinen freien Tagen oder beim Streit mit den Fahrdienstleitern. Horst hatte immer Recht und das auch auf die Gefahr hin, dass wir immer erst planmäßig abfuhren, wo andere Kollegen schon längst an der Kaffeeklappe standen. Seine Rache sollte bitter sein und für Max und Moritz ein Denkzettel sein.

Bei der nächsten Gelegenheit wurde an gleicher Stelle für Max und Moritz Putzwolle geklemmt. Die Besonderheit bestand darin, dass sie kurz vor dem Ablösen mit abgestandenem Urin getränkt wurde. Den Beiden übergab man die Lok mit geschlossenem Bläser und einer offenen Luftklappe des Aschkastens, so dass der Qualm aus der Feuertür den ersten Duft übertönte. Als man den „Braten“ roch, stand der Zug abfahrbereit.

Trotz entfernen der Putzwolle blieb der Geruch. Der heiße Ammoniak brannte so in den Augen, dass die Lok am nächsten Tag abgestellt und gründlich gewaschen wurde. Horst musste beim Chef Abbitte leisten. Der neue Spitzname wurde schnell gefunden und hat sich hartnäckig gehalten. Irgendwie gehört er zum BW Eilsleben, wie Max und Moritz.

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