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Jerusalem

2. Unsere Spuren im St. Charles

By 17. April 2018Juni 11th, 2020No Comments

Es hieß früh aufstehen. Frühstück um 5 Uhr. Der Bus sollte Pünktlich vom Hof fahren, damit wir den Sonnenaufgang in der Wüste erleben. Dazu mussten wir um die Altstadt herumfahren und dann durch den Tunnel unter dem Ölberg Richtung Totes Meer. Wir waren 15 Auszubildende, ein Lektor und ich. Das ich mitfahren durfte hatte ich am Vortag klargemacht. Die Schwestern gaben mir auch spontan frei, weil diese Exkursion schließlich etwas Besonderes war.

Gleich hinter dem Tunnel war der Checkpoint und dann gab es eine andere Welt. Es wurde schon hell draußen. Links und rechts der 4 spurigen Asphaltstraße sahen wir Nomadensiedlungen, Schaf und Ziegenherden, Esel auch mal einen Hirten und Hütten aus Wellblech, Planen und was sonst noch gefunden wurde. Diese Leute arbeiten oft auch im Sozialbereichen und beim Militär, wollen aber meist nicht in der Stadt wohnen. Verstehen konnte ich sie erst ein paar Jahre später, als ich selbst mit meiner Frau einmal vor der Festung Masada, illegal, in der Wüste unter freiem Himmel verbracht hatte. Für sie ist das Heimat und eine bezahlbare Wohnung würde nur Einschränkung bedeuten.

Nach ein paar Kilometern bog der Bus ab und setzte uns in der Steinwüste ab. Die Sonne war gegen 6 Uhr gerade über den Horizont gestiegen und die Farbe der Berge wechselte ständig. Nach einer kurzen Einweisung ging es erst mal Richtung Norden. Alle waren noch nicht so gesprächsbereit. So gingen wir auf einem Trampelpfad vorbei an einem Viadukt der Römer mitten im Nichts zu einer primitiven Siedlung mit primitiven Hütten, freilaufenden Schafen, Ziegen und Bevölkerung, die ihrer Morgenbeschäftigung nachging. Dicht bei der Siedlung war auch eine Quelle, die zwischen den Felsen unser erster Rastplatz sein sollte. Es war schon bedeutend wärmer geworden und die ersten Wasservorräte sollten bitte ergänzt werden. Jeder sollte wenigstens 1 1/2 Liter Wasser bei sich haben.

Unser Lektor las einen Abschnitt aus der Bibel vor und stellte einige Fragen dazu. Dann gingen wir mit dem Lauf des Wassers in Richtung Osten. Nach etwa jeder halben Stunde Weg suchten wir im Schatten eines Felsens oder Baumes eine Sitzgelegenheit. So hörte ich viel Interessantes über die biblische Geschichte, das Land und eine mögliche Interpretation der alten Schriften. Der Zeitgeist und die Umstände wurden zu oft ignoriert und missbraucht. Bestes Beispiel: Es wurden nur Männer Gezählt. Frauen und Tiere waren so etwas wie Inventar oder Besitz. Wurden Frauen trotzdem in den Aufschreibungen erwähnt, war das schon etwas Besonderes.

Weiter gingen wir am Wasserlauf, der in der Winterzeit sehr mächtig sein muss, denn er hatte eine richtige Schlucht ausgespült, die immer tiefer neben uns verlief. Diese Wasserläufe werden Wadi genannt. Sie sind im Sommer oft völlig trocken, weil das wenige Wasser auf dem Weg versickert. Ende Oktober, wenn die ersten oft heftigen Regenfälle niedergehen werden sie zu gefährlichen, reißenden Fluten, ähnlich unseren Gebirgsbächen.

Gegen 12 Uhr standen wir am Rand dieser etwa 50 Meter tiefen Schlucht. Unter uns auf halber Höhe am Fels das Kloster Wadi Kel. Der Abstieg über eine primitiv mit Natursteinen angelegten Treppe ging schnell, denn die Hitze war langsam unerträglich geworden. Die zu erwartende Kühle der Klosterbehausung lockte da schon sehr. Unser Lektor, der diese Tour schon des Öfteren mit seinen Studenten gemacht hatte, wurde nicht jedes Mal auch eingelassen. Diesmal schon.

Ein bescheidener orthodoxer Mönch, der mit seiner Familie dort wohnt ließ uns ein und reichte frischen Zitronensaft mit Wasser. Orthodoxe Mönch sind oft verheiratet, was ich schon in der Grabeskirche in Jerusalem gehört hatte. So wurden wir sogar in das Allerheiligste für eine Lektion aus der Bibel gebeten. So berichtete man uns, dass diese Wüste besiedelt war. Nicht nur von Nomaden. Nachdem der Christliche Glaube zur Staatsreligion ernannt wurde und der Machtmissbrauch offensichtlich war, wollten viele Gläubige nichts damit zu tun haben. Also gab es schon früher Aussteiger.

Gegen 13 Uhr sollte uns der Bus von der anderen Seite des Wadi, oberhalb des Klosters, abholen. Dank der modernen Technik, die auch in der Wüste funktioniert, wurde uns per Handy mitgeteilt, dass der Bus wegen einer defekten Brücke nicht bis zum verabredeten Platz kommen kann. Nach einer herzlichen Verabschiedung verließen wir die angenehme Kühle und machten uns auf den Weg. Zuerst musste der Höhenunterschied in sengender Hitze bewältigt werden. Begleitet von jungen Arabern mit Eseln denen sie Namen wie: “Ferrari“ „Mercedes“ und ähnliches gaben und uns ständig bedrängten, doch das Angebot für nur 40 Schekel anzunehmen. So erreichten wir bald die Asphaltstraße wo der Bus warten sollte.

In sengender Mittagssonne waren es etwa 7 Kilometer bis zu der Stelle, wo der Bus wartete. Eine unbefahrbare Brücke haben wir nicht gesehen, aber die Erfahrung mit dem wenigen Wasser, was dann unter den Bedürftigen aufgeteilt wurde war schließlich wichtiger als eine bequeme Heimfahrt. Alle waren recht erschöpft. Unser Bus wurde am Checkpoint durchgewinkt. Der deutsche Pass und das europäische Aussehen der Insassen genügten den Grenzposten diesmal. Ich wurde östlich der Stadtmauer verabschiedet und die Gruppe fuhr zu ihrem neuen Quartier. Die 2 km durch die Altstadt und dem Park bis zur German Kolonie, wo unser St. Charles Hospiz und immer für 3 Monate auch mein zu Hause war, schaffte ich dann auch noch. Eine heiße Dusche und ein gemeinsames Abendessen mit den anderen Volontären brachten mich dann wieder in die „Normalität“ zurück.

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