Im Raum 3, dem Essenraum der Freiwilligen, gab es immer was zu erzählen. Eine Zeit lang gab Jonas sogar ein Thema vor, über das wir dann unsere Meinungen austauschten. Aber das war eine einmalig gute Zusammensetzung von Jugendlichen, die wir nicht vergessen werden. Zu unserem großen Glück auch die Zeit in der unser Sohn mit seinen Kindern zu Besuch kam. Wenn wir Frei hatten wurde stets was unternommen. Jonas und Mathias machten den „Jesusweg“. Mit dem Bus bis zum Berg Hermon und zu Fuß zurück bis Jerusalem. Mit Schlafsack und auf gut Glück mit dem Nächtigen. Steffi und Franzi haben eine Nacht in der Wüste geschlafen. Ein älteres Ehepaar erzählte vom Besuch bei arabischen Bekannten und den Schikanen, denen sie durch den Staat ausgesetzt waren.
Als meine Frau von dem Übernachten in der Wüste hörte, war sie nicht mehr zu bremsen. Unsere nächsten beiden freien Tage würden nicht langweilig werden. Das war verrückt genug und kostete nur die Busfahrt, die in Israel preiswert ist. Schlafsäcke waren vorhanden. Die Mädels gaben uns die Busverbindung mit Umsteigen an der Badestelle am Toten Meer und weiter zur Festung Masada. Um das Wetter machten wir uns keine Gedanken. Von April bis Oktober gab es nur Sonne.
Nach dem Mittag machten wir uns dann auf den Weg. Mit Schlafsack und Rucksack, wo hauptsächlich Wasser, etwas Weißbrot, Gurken und Tomaten verstaut waren, gingen wir die etwa 200 Meter zum Stadtbus. Von der „Emek Refaim“, der Hauptgeschäftsstraße in der German Kolonie fuhren wir zur Zentralen Busstation. Da kauften wir unsere Tickets und suchten den Abfahrtplatz für unseren Linienbus. Mit dem ging es den schon oft gefahrenen Weg durch die Neustadt, durch den Tunnel unter dem Ölberg, vorbei am Checkpoint nach unten zum Toten Meer. Jerusalem liegt 700 Meter über dem Meeresspiegel und das Tote Meer 400 Meter unter dem Meeresspiegel. Das merkt man in den Ohren. Unser Bus fuhr auch noch einige Kibbuze, die in den Bergen lagen an. Das verunsicherte uns zwar, weil die Mädels das nicht erwähnt hatten, aber schließlich kamen wir doch an dem uns gut bekannten Badeort an. Alle stiegen aus. Nun warteten wir als einzige auf den letzten Bus. Nach einer gefühlten Stunde, etwa 15 Minuten, kam einer. Nein der Nächste, sagte der Fahrer und der kam dann auch bald. Nach der kurzen Fahrt erreichten wir die Wendeschleife vor dem Empfangsgebäude der Festung. Wir hatten noch etwa eine Stunde bis es dunkel wurde. Dann ging es auf die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz nahe dem Aufstieg, denn wir wollten gegen 5 Uhr früh, wenn es noch dunkel ist, am Einlass sein. Ein Aufseher hatte uns entdeckt und machte uns deutlich das wir verschwinden sollen. Wir wussten, dass es verboten ist, in der Wüste zu schlafen und gingen zurück in Richtung Totes Meer. Etwa 1 km vor dem Objekt stand das Ankündigungsschild. Hier endete sein Verantwortungsbereich und wir konnten noch in Ruhe einen Schlafplatz etwa 50 Meter Abseits der Zufahrtsstraße finden. Im Umkreis von ca. 5 Metern klopften wir die Steine ab um eventuelle Besucher wie Spinnen, Schlangen oder Skorpione zu vertreiben. Unsere Schlafsäcke wurden ausgebreitet und bei zunehmender Dunkelheit nahmen wir das Mitgebrachte Essen zu uns.
Vom gegenüberliegenden Ufer in Jordanien leuchteten die ersten Siedlungen auf und spiegelten sich im öligen Salzwasser des Toten Meeres. Langsam wurde auch der Sternenhimmel sichtbar und es blieb warm. Zum Schlafen waren wir beide zu Aufgeregt und so zählte ich 12 Sternschnuppen. Ein paar Wünsche sind noch offen. Im Schlafsack hielten wir es nur kurze Zeit aus und nutzten ihn nur als Unterlage. Mit nur zeitweisen Schlummerphasen genossen wir die Gelegenheit, dies erleben zu dürfen. Die befürchteten, ungebetenen Besucher blieben aus. Nur etwa gegen 4 Uhr schrie eine Katze ganz jämmerlich und wir schreckten auf. Nun war es Zeit zum Aufbruch in Richtung Aufstieg. Etwas den Mund ausspülen und einen Spritzer Wasser ins Gesicht, packten wir das Wenige zusammen und stolperten in der Dunkelheit erst mal zur Straße und dann zum Einlass für den Aufstieg. Dort warteten schon etwa 20 Leute aller Nationalitäten. Es waren immer noch etwa 30° C. Nach dem erwerben des Tickets machten sich alle mit Taschenlampe und hoffnungsvoller Stimmung an den Aufstieg zur etwa 400 Meter hohen Festung Masada, die eine lange Geschichte präsentieren kann. Frei nach Helene Fischer ging es dann, Atemlos durch die Nacht, aufwärts. Mit dem Aufsteigen wurde es auch langsam heller, die Taschenlampen wurden nicht mehr gebraucht, dafür aber umso mehr Wasser, weil der Körper von außen für die Kühlung völlig nass war. So wurde es immer heller und die Kleidung nasser. Das Ziel war ja der Sonnenaufgang oben. Da angekommen wurde erst mal Wasser ergänzt, Zähne geputzt und wir gingen in Richtung Tempel am Ostrand. Da waren wir dann allein und ich konnte mein tropfnasses Hemd über das Geländer zum Trocknen hängen.
Wir schauten Richtung Osten zu den Bergen Jordaniens und erwarteten gegen 6 Uhr den Aufgang der Sonne. Schon bei dem ersten Aufblitzen der Sonnenscheibe erklangen aus dem Hintergrund Trommeln und Gesänge, die das Ganze noch eindrucksvoller erscheinen ließ. Der leicht bewölkte Himmel wechselte ständig die Farben, die sich im Toten Meer spiegelten. Wir waren innerlich dankbar, dies erleben zu dürfen. Meine Frau genoss die Zeit und ich machte auf der Bank erst mal einen kleinen Erschöpfungsschlaf.
Der Abstieg mit der um 8 Uhr wieder in Betrieb gehenden Seilbahn war da schon einfach. Auch der Bus nach Jerusalem kam gleich und der Rest bis zur Ankunft im St. Charles Hospiz verlief ohne Schwierigkeiten. Dann mussten wir aber doch erst mal ein paar Stunden richtig schlafen. Zum Abendbrot in Zimmer 3 waren wir dann wieder fit und konnten unseren Mitstreitern berichten.