Zwei freie Tage standen nach einer 40 Stundenwoche an und da wollte man auch mal wieder raus. Da wir in Jerusalem so gut wie alles kannten, wollten wir zum Baden nach Tel Aviv mit einem Strandbummel bis nach Jaffa. Das hatten wir schon öfters gemacht, war aber immer interessant. Miriam, eine deutsche Volontärin, die mit 27 eine Auszeit vom Beruf machte und meist in der Waschküche eingesetzt wurde, wollte auch mit. Dann begrüßte mich mein arabischer Freund, Gärtner, Hausmeister und alles, was den Schwestern sonst noch einfiel. In unserem gemeinsamen dürftigen Englisch fragte er, ob wir heute frei haben und was wir vorhätten. Dann sagte er mir, dass heute kein Bus fährt. Jüdischer Feiertag. Aber die arabischen fahren. Daran hatten wir nicht gedacht. Feiertage gab es besonders im Herbst immer wieder als Überraschung für uns. Das bedeutete: alle jüdischen Busverbindungen, Geschäfte, Museen und auch die öffentlichen Toiletten in Jerusalem hatten Feiertag. So entschlossen wir uns mal wieder nach Bet Lehem (Haus des Lehem) zu fahren.
Auf dem kurzen Fußweg zur Bushaltestelle meinte meine Frau, dass wir auch bis Hebron fahren könnten. Sie war mit unseren ,,Jungs“, die ein Jahr nach ihrem ABI als Freiwillige im St.Charles arbeiteten, schon mal dort und wusste, wie man hinkommt und wo die Sehenswürdigkeiten waren.
Der arabische Kleinbus war nur von sehr jungen verschleierten Frauen mit Kleinkindern besetzt und wir erreichten den Wendeplatz vor dem Checkpoint problemlos. Dort warteten schon die kleinen VW-Busse für die Weiterfahrt. Kurz nach dem Ziel gefragt, Nicken des Fahrers, einsteigen und kurz auf andere Fahrgäste warten. In den meisten Fällen wird gewartet, bis etwa 5 Fahrgäste eingestiegen sind. Es kann auch mal einer mehr als zugelassen mitkommen. Entsprechend der Nachfrage. Bezahlt wurde nach Ankunft am gewünschten Ziel. Die Innenausstattung der Fahrerfront war für uns ein Grund zum Schmunzeln. Mit Fellimitaten, Kunstblumen, Fotos von Arafat und Saddam Hussein sowie eine Gebetskette hatte sich der Eigentümer seinen Arbeitsplatz häuslich gestaltet. Als ich den Fahrer darauf ansprach, dass die beiden auf den Fotos doch schon tot sind, meinte er nur, die waren gut. So fuhren wir durch eine Landschaft von Gemüseanbau, kleinen Dörfern und Weingärten, die nichts von der Spannung im Land wiederspiegelten.
In Hebron angekommen steuerten wir erst mal auf die Moschee/ Synagoge in einem Gebäude zu. Beide Frauen hatten sich ein Kopftuch umgemacht um nicht gleich als Tourist abgestempelt zu werden. Das hat schon seine Vorteile, erkannt wurden wir trotzdem. Immer wurden wir freundlich begrüßt. Oft mit der Bitte, zu Haus über die Verhältnisse hier zu berichten, wie die Einwohner von den Besatzern behandelt werden.
Hebron ist eine geteilte Stadt. Es gab etwa 300 jüdische Siedler und ca. 3000 Soldaten, die als Beschützer fungierten. Stacheldraht und Netze über den Nebenstraßen machten das deutlich. Die Netze hatten die Funktion, den Müll der Siedler aufzufangen. Die entsorgten sich gern, indem es über die Grenze geworfen wurde. Dementsprechend sah es dort aus. Von Schrott, Plasteteilen bis Ziegelsteinen hing in den Netzen neben und über dem ,,Shuk“ (Fußgängerbasar).
Das hatte meine Frau schon bei ihrem ersten Besuch, damals mit Jonas und Mathias, Unseren “Jungs“, gesehen. Die beiden kannten sich nach kurzer Zeit im Land gut aus und Jonas sprach jeden an, bekam sofort Kontakt durch seine offene Art. So wurden sie auch von einem jungen Familienvater spontan zu einem Besuch eingeladen. Zu dem selbstverständlichen Tee für die Gäste gab es eine Besichtigung, wie man zwischen Stacheldraht und Bewachern lebt. Die Einschüsse in den auf dem Dach stehenden Wassertanks und das ständige Präsens der Wachposten sagten einiges. Ebenso ein Video, das die Willkür der Besatzer zeigte. Sie nahmen sich das Recht, jederzeit in den Wohnraum einzudringen, um eventuelle Bedrohungen aufzuspüren. Dass die Siedlungen völkerrechtlich nicht erlaubt sind, wurde uns in einem Vortrag durch Vertreter der Konrad Adenauerstiftung erklärt. Wie die Siedler, meist aus amerikanischen Juden bestehend, denken, erfuhren wir von unseren Volontären die an einer öffentlichen Besichtigung einer Siedlung in Ostjerusalem teilnehmen durften. Sie benehmen sich meist wie bei der Eroberung Amerikas. Araber gleich Eingeborene. Das Schlimmste, sie fühlen sich absolut im Recht.
Die Besichtigung der Grabstätte Abrahams war in Hebron durch den Jüdischen Feiertag nur von der arabischen Seite möglich. Wie fast überall erst mal der Sicherheitskorridor, dann ein langer Gang an einem öffentlichen Wasch und Toilettenanlage (für die rituelle Waschung vor dem Gebet. muslimisch.) vorbei in die Moschee. Von zwei Männern freundlich empfangen wurden die Frauen trotz Kopftuch noch mit einem Umhang versehen und wir wurden von einem der Männer begleitet. Wenig Besucher gaben uns einen guten Blick auf Gebetsteppiche, die üblichen Zierschriften und weitere Besonderheiten frei. Ehrfurchtsvoll wies uns der Mann auf das Grab Abrahams hin, der ja auch der Urvater für die Muslime und Christen ist. Auch das Grab von Sahra, das eher als Brunnen oder Schacht wirkte, zeigte er uns und leuchtete hinein. Da wären wir mit Sicherheit vorbeigelaufen. Ein vornehmer, ganz in weiß mit weißem Turban erschien zum Gebet und rundete so unseren Eindruck ab. Ganz diskret aber eindeutig wurde ich auf die Gabe eines ,,Bakschisch“ hingewiesen, den sich unser Führer ja auch verdient hatte.
Inzwischen war es früher Nachmittag und der kleine Hunger gesellte sich zu uns. Schon auf dem Hinweg ist mir ein kleiner Seitengang mit dem Hinweis ,,Gartenimbiss“ aufgefallen. Diesen fanden wir auch auf unserem Rückweg und versuchten es einfach mal. Aus dem abgedunkelten Fußgängerbasar kamen wir in einen hellen Park. Angelegt fast wie eine Minigolfanlage aber mit dem viel verwendeten Kunstrasenteppich, einigen Palmen und Sträuchern. In etwa 50 Metern entdeckten wir einen Imbiss mit beschatteter Sitzfläche. Erst einmal einen arabischen Kaffee und ein Eis aus der Kühltruhe. Als übrige Gäste sahen wir nur einen mit dem Wirt reden. Dann kam ein junger Mann aus den angrenzenden Haus mit einem Tablett und einer riesigen Torte darauf an uns vorbei. Die hätten wir auch nicht verachtet, so waren wir uns mit Blicken einig. Es heißt nicht umsonst, Vorsicht mit den Wünschen. Kurze Zeit darauf kam der junge Araber wieder mit einem Teller, darauf drei Stück von besagter Torte, stellte sie auf unseren Tisch, meinte es ist heute sein Geburtstag und verschwand wieder. Wir langten begeistert zu. Dann merkten wir, das die Augen größer waren, als der Magen verträgt, kämpften aber tapfer bis der Teller leer war. Als der junge Mann den Teller holen wollte, fragte ich ihn, ob er noch etwas Zeit hätte. Ich hatte meinen Skizzenblock und Bleistift meist dabei und er ließ sich porträtieren. Inzwischen standen auch der Kioskbesitzer und sein Freund bei uns und schauten zu. Nach etwa 15 Minuten war ich fertig und übereichte ihm das Blatt mit Wünschen zu seinem Geburtstag. Alle tauschten ein ehrliches Lächeln. Dann ließ der Freund des Wirtes fragen, ob ich auch ihn zeichnen würde. Da wir reichlich Zeit hatten war auch das kein Problem und so gab es noch einen arabischen Kaffee. Diesmal auf Kosten des Hauses.
Der Weg zum Bus für die Rückfahrt war schnell gefunden. Miriam mit dem besseren Englisch fragte sich durch und wir hatten die Gelegenheit den Alltag der Stadt in uns aufzunehmen Die Hauptstraße war das übliche Caos in arabischen Städten. Autos, Fußgänger, Pferdegespanne, Handkarren, Fahrräder und Hunde bewegten sich nach einer uns auf ewig unbegreiflichen Regel.
Unbeschadet mit schönen Begegnungen und auch etwas ermüdet berichteten wir am gemeinsamen Abendbrots Tisch unseren Mitvolontären über das erlebte. So tauschten wir uns immer untereinander aus, was man in der Freizeit unternehmen kann.